Das Bundesteilhabegesetz
Mit dieser wirklich langen Lektüre schicke ich euch ins Osterwochenende...
Erste Änderungen des Bundesteilhabegesetzes sind bereits im Jahr 2017 in Kraft getreten.
Seit 01.01.2018 gibt es aber Neuerungen, welche auch unsere Arbeit direkt betreffen. Daher möchte ich euch heute das Bundesteilhabegesetz (kurz BTHG) etwas näher bringen.
Das erklärte Ziel des BTHG ist es, die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung zu verbessern und ihnen mehr Teilhabe und Selbstbestimmung zu ermöglichen.
Hierfür wurde das Neunte Sozialgesetzbuch (SGB IX) neugestaltet und hat nun folgende Struktur:
Teil 1 ist das für alle Rehabilitationsträger geltende Rehabilitations-und Teilhaberecht.
Teil 2 wird künftig die reformierte Eingliederungshilfe unter dem Titel "Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung von Menschen mit Behinderungen" beinhalten. Bis Ende 2019 gelten hier übergangsweise noch die Regelungen des SGB XII.
In Teil 3 steht das weiterentwickelte Schwerbehindertenrecht.
Weiterhin wurde im Rahmen des BTHG der "Behinderungsbegriff" neu definiert, wonach "eine Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen dem Menschen mit seiner Beeinträchtigung und den einstellungs- und umweltbedingten Barrieren" (Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2016) entsteht. Dies erfolgt in Anlehnung an die ICF-Kodierung, mit welcher auch wir arbeiten. Hier wird aufgezeigt, wie sich mögliche Probleme und Einschränkungen auf die Teilhabe des Betroffenen auswirken. Hier kann es z.B. um die Teilhabe am Arbeitsleben gehen oder aber um die Teilhabe am sozialen Leben.
Der Themenschwerpunkt, welcher unsere Arbeit direkt und vollumfänglich betrifft, ist der der Rehabilitation. Hier gibt Neuerungen beim Antragsverfahren und Zuständigkeiten.
So werden beispielsweise Träger von Reha-Maßnahmen wie die Bundesagentur für Arbeit oder die Deutsche Rentenversicherung dazu verpflichtet, drohende Behinderungen frühzeitig zu erkennen und mit entsprechenden Maßnahmen, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten. Nun sind die möglichen Einschränkungen unserer Klienten nicht planbar oder im Vorfeld absehbar, da die Unfälle leider völlig plötzlich und unvorhersehbar die Leben der Betroffenen verändern. Dennoch erfahren die sozialrechtlichen Prämissen "Prävention vor Reha" und "Reha vor Rente", welche unsere Arbeit eben auch betreffen, eine wesentliche Stärkung. Außerdem wird das Antragsverfahren deutlich vereinfacht. So habe ich euch schon an der ein oder anderen Stelle vom Dschungel unserer deutschen Bürokratie berichtet, in welchem man als Betroffener nahezu verloren ist. Besonders nach einem Schicksalsschlag wie einem Unfall. Seit dem 1. Januar 2018 soll nun ein einziger Reha-Antrag ausreichen. Durch diesen werde ein umfassendes Prüf- und Entscheidungsverfahren ausgelöst, auch wenn z.B. die Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit sowie Unfall-, Kranken- und Pflegekasse weiter für unterschiedliche Leistungen zuständig bleiben. Im Mittelpunkt steht, welche Unterstützung ein Mensch braucht und will – wie sich die Träger untereinander organisieren, darum muss sich der Betroffene nun nicht mehr kümmern.
Zu diesem Zweck wird ein trägerübergreifendes Teilhabeplanverfahren eingeführt. Dadurch sollen Nachteile des gegliederten Systems der Rehabilitation abgebaut werden.
Konkret bedeutet das, dass es nur einen "leistenden Träger" bei trägerübergreifenden Leistungen gibt. Dieser ist zuständig für die Einleitung und Durchführung des Teilhabeplanverfahrens. Dazu gehört die Durchführung einer Teilhabeplankonferenz sowie eine unter Umständen erforderliche Begutachtung oder such die Dokumentation aller Leistungen in einem Teilhabeplan. Dieses Vorgehen soll sicherstellen, dass über den Antrag auf Teilhabeleistungen zeitnah und umfassend entschieden werden kann. Hierbei soll jeder Mensch mit Behinderungen individuell betrachtet und dessen Unterstützungsleistungen nach seinem konkreten Bedarf genau im Teilhabeplan festgelegt werden.
Neben dem vereinfachten Antragsverfahren soll es im Rahmen des BTHG auch verbesserte Leistungen z.B. im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben geben.
Eine der wohl wichtigsten Änderungen ist es, dass die Beschäftigungsangebote der Werkstätten für behinderte Menschen durch andere Leistungsanbieter und die Einführung eines "Budgets für Arbeit" ergänzt und erweitert werden. Außerdem wird nun das Training motorischer Fähigkeiten als notwendige Hilfe zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben anerkannt und somit die Bewegungsorientierung gestärkt.
Für unsere Arbeit ist besonders das "Budget für Arbeit" interessant. Mit diesem soll behinderten Menschen der Einstieg in den allgemeinen Arbeitsmarkt erleichtert werden. Über dieses Budget erhält der Arbeitgeber einen Ausgleich für die dauerhafte Minderleistung eines behinderten Beschäftigten und auch erforderliche Assistenzleistungen werden finanziert. Anspruchsberechtigt sind an dieser Stelle aber nur Menschen mit Behinderungen, die einen Anspruch auf eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen haben und nach eine Alternative hierzu suchen.
Hinzu kommen durch das BTHG auch bisher unbenannte Leistungen zur sozialen Teilhabe wie Assistenzleistungen und Leistungen zur Mobilität. Außerdem gehörte die berufliche Bildung für Menschen mit Behinderung bislang nicht zu den Aufgaben der Eingliederungshilfe. Bildungsleistungen waren bisher der "Sozialen Teilhabe" zugeordnet. Diese werden nun in einem eigenständigen Kapitel "Leistungen zur Teilhabe an Bildung" verankert und um Leistungen der schulischen und hochschulischen Weiterbildung erweitert.
Erstmalig wird damit klargestellt, dass Teilhabe an Bildung eine eigenständige Reha-Leistung ist. Dies ermöglicht die Förderung einer (hoch-)schulischen beruflichen Weiterbildung im Anschluss an eine Berufsausbildung sowie die Förderung einer rein akademischen Aus- und Weiterbildung.
Wie diese Pläne in der konkreten Umsetzung aussehen werden, wird erst die Zeit zeigen. Die tiefgreifende Auseinandersetzung mit der Thematik war aber längst überfällig und ist zu begrüßen.
Ich konnte in diesem Rahmen nur einen groben Überblick geben und habe mich dabei auf die Felder konzentriert, die unsere Arbeit hier bei rehacare betreffen.
Grundlage für diese Ausarbeitung waren die FAQ zum Bundesteilhabegesetz des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, wo ihr euch gern noch ausführlicher informieren könnt.
Ihr rehacare-Blog
Ein herzliches Hallo an alle Leser.
Mein Name ist Anne Trommler und ich bin Case Managerin bei rehacare.
Da ich in meinen (Arbeits-) Alltag immer wieder Menschen begegne, die keine Vorstellung davon haben, was genau ich in meinem Job eigentlich tue, entstand die Idee für diesen Blog.
Hier versuche ich transparent und anschaulich für jeden darzustellen, wie mein Arbeitstag aussieht und wo Chancen und Grenzen des Reha-Managements liegen. Erfahrungsberichte von Betroffenen, ihren Familien sowie Wissenswertes aus den Bereichen Verkehr, Recht und Soziales sollen das Bild abrunden.
Dazu wird es Gastbeiträge und Interviews geben.
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